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Fiskalpolitik Stadtentwicklung

Don’t mess with taxes

Kaum ist das Beinahe-Milliardenloch im Frankfurter Haushalt annähernd beziffert, werden aus der SPD schon Rufe nach einer Erhöhung der Gewerbesteuer laut. Fast schon reflexartig halten CDU, FDP und sogar die Grünen dagegen. Wer hat nun recht? Es ist wie immer: es kommt drauf an. Worauf, das sehen wir im Folgenden.

Die Kernfrage ist: führt eine Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes zu höheren oder niedrigeren Steuereinnahmen? Der Laie würde zunächst annehmen, dass höhere Steuersätze auch zu höheren Einnahmen (und somit zu kleineren Löchern im Haushalt) führen. Allerdings können zu hohe Steuersätze auch die Wirtschaft entweder abwürgen oder zur Abwanderung bewegen und so zu niedrigeren Einnahmen führen.

In der Finanzwissenschaft wird dieser Zusammenhang zwischen Steuersätzen und -aufkommen mit der Laffer-Kurve beschrieben, die die Form eines umgekehrten U aufweist. Befindet man sich links des Höhepunkts der Kurve, steigt das Aufkommen mit den Steuersätzen. Befindet man sich rechts davon, sinkt es.

Allerdings bietet die Laffer-Kurve nur eine statische Betrachtung langfristiger Effekte. Wichtig ist aber vor allem, was im Zeitablauf passiert. Denn wenn Betriebe nicht sofort abwandern können, werden die Gewerbesteuereinnahmen bei einer Erhöhung der Sätze in der Regel zunächst steigen – und bei einer Senkung eben sinken.

Wo auf der Kurve befindet sich nun Frankfurt? Und falls auf der „richtigen“ Seite – können wir uns kurzfristig weitere Einnahmeausfälle leisten, selbst wenn diese durch langfristig höhere Einnahmen kompensiert werden könnten?

Zur Beantwortung der ersten Frage wird gerne auf ein Gutachten des ifo-Instituts aus dem Jahr 2009 verwiesen. Dieses besagt, dass Gemeinden in Rhein-Main das Steueraufkommen steigern können, wenn sie ihre Gewerbesteuersätze senken und sich so im Wettbewerb mit den anderen Gemeinden besser positionieren. Allerdings nur die Umlandgemeinden, die tendenziell Unternehmen anziehen, die sich gegen den Standort Frankfurt – sei es wegen der Steuern oder wegen anderer Gründe – entschieden haben, und sich nun die Frage stellen, ob sie lieber nach Bad Homburg oder nach Eschborn ziehen sollen. Hier machen bei den kleineren Gemeinden schon einige wenige Unternehmensansiedlungen einen großen Unterschied bei den Gewerbesteuereinnahmen aus. Andersherum wird es Frankfurt kaum gelingen, Unternehmen in großer Zahl aus dem direkten Umland anzuziehen – dazu sind die Unterschiede in den Gewerbesteuerhebesätzen (und auch den Immobilienpreisen) viel zu groß.

Hebesatz 2019
Eschborn330
Neu-Isenburg345
Bad Vilbel357
Bad Homburg385
Maintal410
Mörfelden-Walldorf410
Oberursel410
Offenbach440
Frankfurt460
Quelle: DIHK

Aber konkurriert Frankfurt tatsächlich nur mit seinem direkten Umland? Ein Vergleich mit den Hebesätzen anderer deutscher Großstädte zeigt: hier liegt Frankfurt im Mittelfeld, Berlin zieht seine Einnahmen lieber aus dem Länderfinanzausgleich als aus der Gewerbesteuer, und München kann sich wegen seiner hohen Attraktivität auch den höchsten Gewerbesteuersatz unter den deutschen Metropolen leisten. Offenbar kann auch ein um 30 Prozentpunkte niedrigerer Hebesatz nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Taunus kein Skigebiet, der Langener Waldsee nicht der Starnberger See, die Eintracht nicht der FC Bayern und Handkäs mit Musik keine Weißwurst mit süßem Senf ist.

Hebesatz 2019
Berlin410
Stuttgart420
Ludwigshafen425
Mannheim430
Düsseldorf440
Leipzig460
Frankfurt460
Hamburg470
Köln475
München490
Quelle: DIHK

Kurzum: weder wissen wir, wo wir uns auf der (langfristigen) Laffer-Kurve befinden, noch können wir abschätzen, ob mögliche langfristige Gewinne kurzfristige Kosten kompensieren, noch wissen wir derzeit, ob wir uns kurzfristige Steuerausfälle, zusätzlich zu jenen durch die Corona-Krise, überhaupt leisten können. Deshalb gebietet die kaufmännische Vorsicht: Finger weg von der Steuerschraube, egal in welcher Richtung man zu drehen gedenkt.

Denn besser wendet man sich zum Ausgleich von Haushaltslöchern gerade in einer Stadt wie Frankfurt, in der Hinz und Kunz mit Fördermitteln bedacht werden, einmal der Ausgabenseite des Haushalts zu. Ist es eine öffentliche Aufgabe, esoteriknahe Volkshochschulkurse (‚Waldbaden‘) zu finanzieren? Müssen wir die Gegner unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft alimentieren und ihnen städtische Liegenschaften zur Verfügung stellen? Muss jede Theaterkarte mit dreistelligen Beträgen bezuschusst werden? Werden öffentliche Plätze wirklich durch orange Plastikkringel und fahrbare Mooswände aufgewertet? Brauchen wir tatsächlich ein Museum für Schrumpfköpfe und Südseenippes? Können Eltern wirklich keine Gebühren für die Kinderbetreuung zugemutet werden? Jetzt ist die Gelegenheit für eine umfassende Bestandsaufnahme, für Auf- und Ausgabenkritik.

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Europa Fiskalpolitik

Coronabonds – Pandoras Büchse oder Rohrkrepierer?

Viel wurde diskutiert über das Ob, Wie, und Wo gegenseitiger europäischer Hilfe zur wirtschaftlichen Erholung. Nun haben Präsident Macron und Kanzlerin Merkel einen Vorschlag erarbeitet: langfristige, nicht rückzahlbare Transfers in einem Umfang von 500 Mrd. €, finanziert aus gemeinsamer Kreditaufnahme über den europäischen Haushalt. Also genau das, was Macron auch schon lange gefordert hat – und was uns ordnungspolitisch gefestigten Ökonomen Bauchschmerzen bereitet.

Wird hier nun Pandoras Büchse geöffnet – oder einmal mehr Symbolpolitik gemacht? Denn es gibt aus jüngster Vergangenheit ein ähnliches Beispiel deutsch-französischer Verkündungen zur Europapolitik : die Erklärung von Meseberg, ein Sammelsurium von Fehlanreizen, das zuvor von Macron formulierte ambitionierte Forderungen aufnimmt und Wunschträume der SPD von einer europäischen Transfergemeinschaft wahr werden lässt. Scheinbar.

Denn zum Glück besteht die EU nicht aus zwei Großmächten, die den kleinen sagen wo es lang geht, sondern aus 27 gleichberechtigten Staaten, und es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Deshalb kann man auch Verschiedenes beschließen, um Macron Gesichtswahrung und innenpolitische Stärkung zu gewähren, dem Koalitionspartner ein Zuckerle zu geben und sich selbst als pro-europäisch darzustellen – und das, ohne dabei großen europäischen Flurschaden anzurichten: denn der schwarze Peter wird einfach an Österreich und Co. weitergereicht, im Vertrauen darauf, dass diese schon dagegen stimmen werden. Hoffen wir also, dass auch diesmal Kurz vor Wien Europa verteidigt wird.

Wie aber dennoch europäische Solidarität in der Krise sinnvoll ausgestaltet werden kann, habe ich kürzlich mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Angelegenheiten der europäischen Union im Deutschen Bundestag, Gunther Krichbaum, Prof. Dr. Jan Schnellenbach und Martin Heipertz diskutiert. Hier gibt es die Online-Diskussion zum Nachschauen: